Das „größte und kunstreichste Uhrwerk der Welt“ stand auch mal in Haan: 1896


Lothar Weller, 9.8.2020 — LINK: Haaner Treff, 17.11.2021 (S. 11)
„Haus zum Diek“ – uralt, und hier wohnte die Frau, die als einzige ein Grab in der Gruitener Kirche bekam

Als dieser Artikel im General-Anzeiger erschien, stand das Haus ganz offensichtlich noch. Er muss also vor 1967 erschienen sein, stammt aber vermutlich schon aus den 1950er Jahren. Die unter der Überschrift gestellte Frage Sollte das Haus nicht ein Geschichtsdenkmal werden? ist in den Jahren danach wohl mit „nein“ beantwortet worden, denn Harro Vollmar hat geschrieben, dass das „Haus zum Diek“ […] 1967 […] abgebrochen wurde, um einem Hochhaus an der Dieker Straße zu weichen.[1]





Die früheste bekannte Erwähnung des Hofes zo dem Diche enthält eine Hühnerzinsliste aus der Zeit um 1410[2], liegt also noch rund 100 Jahre vor dem im obigen Zeitungsartikel genannten Ehevertrag von 1502. Aus ihr lässt sich wohl ableiten, dass der Hof schon mindestens um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert bestanden hat.
August Lomberg hat das Haus zum Diek so beschrieben: […] aus ungewöhnlich starkem Mauer- und Balkenwerk gefügt […]. Da es zu seinem Schutze früher auch von Teichen und Gräben umgeben war, so trug es ganz den Charakter einer Wasserburg.[3] Harro Vollmar schrieb dazu mit einem konkreten Zeitbezug, dass das „Haus zum Diek“ noch im vorigen Jahrhundert [19. Jh.] wie eine Wasserburg angelegt war.[1] Das ist aus dem Urkataster 1830/31-69 (Abb. oben) jedoch nicht (mehr) zu erkennen.
Die Informationen bei Lomberg und Vollmar in Bezug auf die früheren Bewohner des Haus‘ am Diek gehen über die Angaben im obigen Zeitungsartikel hinaus.
Vollmar hebt besonders die Bedeutung des Hauses für den Einzug der Reformation in Haan hervor: Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde in diesem Haus der erste dem Luthertum zugeneigte Prediger, Johann Wilhelm zum Diek, geboren, als Haaner Pastor tätig von etwa 1544 bis 1587. Johann Wilhelm nannte sich später „Wilhelm Dichmannus“ und ab 1566 „Johann Heidelberg“, nämlich in dem Jahr, als er den Heidelberger Katechismus(!) einführte.[1] (Siehe dazu auch den Aufsatz ganz unten auf dieser Seite: War Haan Mitglied der ersten Bergischen Synode 1589?)
Lomberg erwähnt im Zusammenhang mit den Persönlichkeiten, die im Haus zum Diek ihr Domizil hatten, den Schultheiß Wiedenfeld.[3] Über ihn hat Manfred Baldus ausführlicher geschrieben: Um 1675 kaufte Christian Wiedefeld, der aus Köln oder Umgebung stammte, den Haaner Hof „Zum Diek“. Er war der erste bedeutende Katholik, der sich nach der Reformation in Haan niederließ und hier bald zu hohem Ansehen gelangte. Schon 1678 war der neue Gutsherr Schultheiß von Haan und Hilden und verwaltete dieses Amt für mehrere Jahrzehnte. Mit seiner Familie und dem Gesinde besuchte er die Pfarrkirche in Gruiten, die seinem Hof am nächsten lag.[4] Dieser Christian Wiedenfeld hatte eine so enge Verbindung zur Kirche St. Nikolaus in Gruiten (die zu seiner Zeit fast keine Gemeindeglieder mehr und deshalb im fast vollständig reformierten Gruiten einen schweren Stand hatte), dass seine erste Ehefrau als einzige Frau in der Gruitener Kirche beerdigt wurde. (Siehe dazu [LINK)]: Geheimnisse hinter der Kirchhofsmauer, allerletzter Teil: Pastoren wurden in der Kirche begraben, aber auch eine Frau!)
Lothar Weller, 24.7.2020, erweitert um das Foto mit dem Haus zum Diek im Vordergrund: 9.10.2022.
PS: Da das Haus zum Diek noch bis 1967 vorhanden war, sollte es eigentlich aktuellere Fotos davon geben, aber in den vielen Bildersammlungen über Alt-Haan habe ich bisher keines gefunden. Stadtdirektor a.D. Werner Rees hat 1979 in einem Artikel „Reformation in Haan“ (Rheinische Post) geschrieben, dass vor dem Abbruch noch Bilder des Haues angefertigt wurden. Wer hat ein neueres Foto als das oben abgebildete von 1900?
[1] Harro Vollmar, Häuser und Höfe in Haan, Artikelserie im Haaner Treff ca. 1980-82, Teil VI.
[2] Höroldt/v. Roden, Quellen zur älteren Geschichte von Hilden, Haan und Richrath, Niederbergische Beiträge (Hg.: Heinrich Strangmeier), Bd. 15, S. 119+124.
[3] August Lomberg, Haaner Heimatbuch, Haan 1928, S. 86.
[4] Manfred Baldus, Die katholische Pfarrgemeinde nach der Reformation, in: Haan – Werden und Wachsen einer bergischen Stadt, Haan 1959, S. 133 ff. (S. 135).
„Sonne“ wich dem „Kaiserlichen Postamt“

Zeitungsartikel aus dem Jahre 1899 (Abb. unten) geben Aufschluss darüber, wann das Haus „Sonne“ abgerissen und das „Kaiserliche Postamt“ auf dessen Grundstück erbaut wurde. Damit wird ggf. auch die Zuordnung des Fotos oben auf die Zeit vor 1900 möglich, wenn sich bestätigt, dass es wirklich das Haus „Sonne“ zeigt.

Der Abbruch des Hauses erfolgte offenbar zügig, denn schon vier Monate später schreibt die Zeitung:

Ein Postamt gab es zuvor schon an anderen Stellen der Kaiserstraße. August Lomberg schrieb 1928 dazu: Eine eigene Postanstalt besteht in Haan erst seit dem 1. Oktober 1851. […] Das Postamt war anfangs auf gemietete Räume angewiesen. Zuerst befand es sich in dem Hause Kaiserstr. 49 (jetzige Bäckerei Schneider), dann in dem Burbachschen Hause Kaiserstr. 12. Im Jahre 1900 bezog die Post das gegenwärtige, von dem Bauunternehmer Fr. Aug. Stuffmann erbaute Postgebäude, das 1925 in den Besitz des Staates überging.[1] Von einem der früheren Postämter hat sich auch ein Foto erhalten (Abb. unten).

Auf dem Foto oben ist am Haus links neben dem Postamt der Schriftzug Schuh & Stiefel Niederlage E. Schwarten zu lesen (deutlicher auf dem Ausschnitt unten zu erkennen).
Das „Schuhgeschäft“ hat an der Kaiserstraße noch bis 1906 bestanden (wahrscheinlich an derselben Stelle), wie die folgende Zeitungsanzeige nahelegt, in der als Grund für den „Ausverkauf“ der „Wegzug von der Kaiserstraße“ genannt wird:

Das neue Geschäft hatte wohl die Adresse „Bahnhofstr. 1“, aber dort hat es sich offenbar nicht lange gehalten:

Der Umzug des Postamtes in das neue Gebäude Kaiserstraße Ecke (damals) Schützenstraße erfolgte Ende März 1900:


Wie dieses Postamt aussah, ist durch alte Ansichtskarten bekannt, hier als Beispiel ein Ausschnitt einer solchen Karte:
Zu dem Haus links neben dem Postamt hat Harro Vollmar geschrieben: Kaiserstraße Nr. 30, In der Sonne. Dieses etwa 1967 abgebrochene Fachwerkhaus neben der Post war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die erste Apotheke. Eine schöne Barock-Haustüre zeigte im Türknopf eine strahlende Sonne […].[1] Merkwürdigerweise weist Vollmar hier den Haus-Namen „Sonne“ dem Haus neben dem Postamts-Neubau von 1899/1900 zu. Das für den Neubau abgerissene Haus, das in den oben abgebildeten Zeitungsmeldungen von 1899 „die Sonne“ bzw. „Sonne“ genannt wird, erwähnt er nicht. Jakob Litsch war sich dagegen offenbar sicher: de Sonn, wo jetzt das Postamt steht, schreibt er.[2] Bei August Lomberg[3], der 1928 rund 50 Jahre näher als Vollmar am Abrisszeitpunkt des Hauses, das dem Postamt weichen musste, war, habe ich gar keinen Hinweis auf ein Haus „Sonne“ gefunden. Wer kann dieses „Rätsel“ lösen?
Lothar Weller, 5.12.2019 (erweitert 14.7.2020)
[1] Harro Vollmar, Häuser und Höfe im alten Haan, Serie im Haaner Treff (1979-1982?), Teil XX.
[2] Jakob Litsch, Das Kirchspiel Haan um 1725, in: Lesebogen für den Landkreis Düsseldorf-Mettmann, o.J., Aloys Henn Verlag, Ratingen, S. 16.
[3] August Lomberg, Haaner Heimatbuch, Haan 1928, S. 194 f.
Ev. Kirche Haan: Akrobatische Handwerker in schwindelnder Höhe

Gut 120 Jahre alte Zeitungsberichte (unten abgebildet) machen es jetzt möglich, ein sehr altes Foto – oder sogar zwei – einem Ereignis zuzuordnen und auf 1898 zu datieren.
Auslöser für die akrobatischen Arbeiten in schwindelnder Höhe war ein Sturm, der 1898 den Hahn auf der Spitze des Turms der evangelischen Kirche beschädigt hatte. Der Hahn wurde repariert und neu vergoldet. Außerdem wurde das große Kreuz unter dem Hahn renoviert und schließlich noch ein neuer Blitzableiter angebracht. Nach den Zeitungsberichten waren die Haaner*innen mit allem sehr zufrieden, nur der Blitzableiter fand weniger Beifall.

In diesem Artikel wird einerseits von einem Foto gesprochen, andererseits aber davon, dass die fertigen Bilder demnächst ausgestellt werden sollen. Angeregt wird, das Foto oder die Fotos als Ansichtskarte/n herauszugeben. Wer kennt eine Ansichtskarte mit dem folgenden (oder einem ähnlichen) Foto?



Das zweite Foto (Abb. unten) könnte zum selben Ereignis gehören. Es müsste aber etwas früher aufgenommen worden sein als das obige, denn auf ihm fehlt am Fuße der Turmhaube die Jahreszahl „1898“.
[*] Ein Hugo Stuffmann ist am 2.7.1899 im Alter von 23 Jahren und 8 Monaten gestorben: https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/1589102
Die „Heidberger Mühle“ Ende des 19. Jahrhunderts

Der unten abgebildete Zeitungsartikel von 1898 enthält folgende Informationen: Max Meurer hat das Gut gekauft, das sehr zerfallene Wohnhaus gründlich umbauen lassen, eine Genehmigung zum Betriebe einer Schenkwirthschaft erhalten und ein Sommerrestaurant eröffnet. Beim Umbau des Hauses hat er – so lesen wir weiter – darauf geachtet, dass die einfachen aber schönen alterthümlichen und historischen Sachen, besonders Schnitzereien nicht beeinträchtigt werden. An das Wohnhaus schließt sich noch ein Gesellschaftszimmer sowie ein Saal mit Veranda an, welche im altdeutschen Style gehalten sind. Der Saal wird nicht wegen seiner Größe, sondern mit Bezug auf seine Zierlichkeit als der Schönste unseres Ortes bezeichnet. Die Decke ist als Holzdecke hergestellt, wobei besonders die reich verzierten Dachbinder zierlich hergestellt sind, ein ausgebauter chorartiger Ausbau, zur Aufnahme der Musik, schließt sich noch an einen Giebel an. Die Fenster nach der Straßenseite und des Ausbaues sind durch bunte Bleiverglasung hergestellt, wobei die des Ausbaues durch Glasmalereien, welche die Bildnisse von Fürsten etc. darstellen, reich geziert sind. Die Anlage hat eigene Wasserleitung und Lichtanlage, nämlich Acetylenlicht, ähnlich wie Gas. Von den Anlagen ist bis jetzt nur der auch gut gelungene Teich fertiggestellt, die gärtnerische Bepflanzung ist zu dieser Zeit noch unvollständig.


Lothar Weller, 28.10.2019
PS: Diese Informationen ergänzen und präzisieren die Angaben über die Geschichte der Heidberger Mühle („Max Meurer hat um 1900 die Scheune und die Stallungen in einen Gastraum umgebaut.“) auf dieser Internetseite (Link).
Der „Haaner Schädel“ und die „Ohreisen“
Neue Untersuchungen haben ergeben, dass der Haaner Schädel nicht über 1000 Jahre alt sein kann, sondern wahrscheinlich erst aus dem 17./18. Jahrhundert n.Chr. stammt[1]. Dadurch ist die von Harro Vollmar[2] mit den archäologischen Funden vom alten Kirchplatz in Haan verknüpfte These, dass dort in den Jahren 940 bis 970 Gerresheimer Stiftsdamen begraben wurden[3], nicht mehr aufrecht zu halten. Gleiches gilt auch für die Interpretation der gefundenen „Bronzeringe“, von denen sich einer am Haaner Schädel befindet. Wegen des angenommen hohen Alters der Schädelfunde waren verständlicherweise auch die vermeintlichen „Bronzeringe“ dem 1. Jahrtausend zugerechnet worden.
Vollmar hatte die Hoffnung, mit den Haaner Bronzeringen ein wunderbares Beispiel für die über fast 1000 Jahre wirksame Überlieferung von volkskundlich bedeutsamen Traditionen zu haben. In seinem Buch hat er deshalb einige Quellen angeführt, die davon berichten, dass Mädchen und Frauen noch bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts Hauben/Mützen getragen haben, die von einem Ohreisen auf dem Kopf festgehalten wurden.[4] Diese Hoffnung hat sich wegen der nun korrigierten Altersbestimmung nicht erfüllt. Doch immerhin ist das Haaner Ohreisen (soweit bekannt) derzeit wohl der einzige erhaltene archäologische Fund dieser Art aus unserer Gegend.
Vollmars Quellensammlung und die Anzahl der in Haan gefundenen „Bronzeringe“ (richtiger: Ohreisen) bzw. deren Bruchstücke, legen den Schluss nahe, dass auch in unserer Gegend (rechtsrheinisch) Hauben/Mützen mit Ohreisen im 17./18. Jahrhundert eine verbreitete Kopfbedeckung von Frauen waren, auch wenn sich das durch archäologische Funde von Ohreisen oder Bildern, auf denen sie zu erkennen sind, (bisher) nicht ausreichend nachweisen lässt. Wenn aber der Begriff Ohreisen noch zu Beginn des 19. Jahrhundert eine allgemein verständliche Bezeichnung gewesen wäre, sollte das ein wichtiges Indiz dafür sein. Um das zu erkennen, habe ich in alten amtlichen Veröffentlichungen z.B. nach Beschreibungen von vermissten Personen gesucht. In den Amtsblättern der Regierung zu Düsseldorf bin ich fündig geworden:
Am 13ten dieses Monats [Mai 1827] fuhren 12 Personen […] in einem Nachen über die Sieg, der Nachen schlug um, drei Personen wurden gerettet, von einer wurde bald darauf die Leiche gefunden; die übrigen acht dagegen haben bis jetzt nicht wieder aufgefunden werden können. Ich mache daher ihre Personen-Beschreibung nachstehend bekannt […].
1) Gertrud …, 15 Jahre alt, aus Niedermenden […] eine weiße Mütze nebst Ohreisen […].
2) Catharina …, 22 Jahre alt, aus Niedermenden […] weiße Mütze nebst silbernen Ohreisen […].
3) Margaretha …, 27 Jahre alt, aus Niedermenden […] Treckmütze nebst Ohreisen […].
4) Gertrud …, 25 Jahre alt, aus Niedermenden […] weiße Mütze mit silbernen Ohreisen […].
5) Agnes …, 10 Jahre alt, aus Niedermenden […] geflochtene Haare und ein weißes Tuch zur Kopfbedeckung.[5] (6 – 8 = männliche Opfer.) [Siehe dazu die Anmerkung 8.]
Diese Quelle von 1827 liefert noch zwei weitere Beispiele dafür, dass der Begriff Ohreisen damals offenbar allgemeinverständlich war:
Dem Wirth Wilhelm … in der Bürgermeisterei Dormagen wurden … gestohlen:
[…] 8) ein überzinntes mit kupfernen Knöpfen versehenes Ohreisen, nebst einer Frauenmütze mit grünen und weißen Perlen […].[6]
Und für Düsseldorf/Neuss heißt es dort:
Da es den Anschein hat, daß unter den nachstehend verzeichneten … Gegenständen, gestohlenes Gut sich befinde, so werden die … Eigenthümer … aufgefordert, sich … zu melden […]. 217) 2 Paar silberne Ohreisen […].[7]
Lothar Weller, Dezember 2017
[1] Siehe dazu http://www.rp-online.de/nrw/staedte/haan/haaner-schaedel-stammt-aus-der-neuzeit-aid-1.7205973 und http://www.wz.de/lokales/kreis-mettmann/nachrichten-aus-haan-und-hilden/haaner-schaedel-ist-viel-juenger-als-geglaubt-1.2556690
[2] Harro Vollmar: Geschichte von Haan und Gruiten, Teil I: Anfänge bis 1500, Haan 1987.
[3] Vollmar, wie Anm. [2], S. 229, 551 (Schädel-Abb.: S. 526).
[4] Vollmar, wie Anm. [2], S. 547 ff. (bes. S. 550: Otto Schell über Haubenmützen in Wittlaer und Bockum bei Kaiserswerth, die bei Hochzeiten und anderen Festen getragen wurden.)
[5] Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf für den Regierungsbezirk Düsseldorf von 1827, S. 242. (Niedermenden liegt rechtsrheinisch, hatte damals ca. 250 Einwohner, gehört heute zur Stadt Sankt Augustin.)
[6] Amtsblatt, wie Anm. [5], S. 34.
[7] Amtsblatt, wie Anm. [5], S. 177 ff.
[8] Dieses Beispiel ist aufgenommen worden in eine umfassende Abhandlung von Christian Meyer und Patrik Jung, „[D]er Glanz des Goldes in der Schläfe …“, veröffentlicht in „Praehistorische Zeitschrift 2021“ (LINK), S. 599 ff. (Anmerkung hinzugefügt: 31.12.2021.)
Erste Messe, letzte Messe in Haans katholischer Kirche

Am 18. März 1956 wurde die erste Messe in Haans neu erbauter katholischer Kirche gefeiert. Und nur einen Tag später fand der letzte Gottesdienst in der alten Pfarrkirche statt. Danach wurde sie – die erste katholische Kirche Haans nach der Reformation – 87 Jahre nach ihrer Einweihung abgerissen.




Emil Barth hat in seiner Kindheitserinnerung „Das verlorene Haus“ über die alte Kirche geschrieben: Sie „erhob sich … auf einer Art Hügel, das heißt sie war nicht wie der große und nüchterne protestantische Ziegelsteinbau von ebener Straße her über flachem Kiesweg zu betreten, sondern führte mit hoher Freitreppe ans Portal. Erbaut in einem Stil, den man … am ehesten noch einen gotisierenden nennen könnte, trug sie als weithin sichtbares Wahrzeichen und Glockentürmchen einen dünnen und windigen Dachreiter, der bei jedem Geläut mit dem Ausdruck der Furchtsamkeit zitterte und auf Gläubige wie Ungläubige gleichermaßen erheiternd wirkte“.
Lothar Weller, 2016 (um weitere Fotos ergänzt am 23.11.2019)
Links: Taeglich.ME, 18.3.2016 * Rheinische Post, 18.3.2016
War Haan Mitglied der ersten Bergischen Synode 1589?
Seit 1975 gibt es in Haan einen Gedenkstein, auf dem es über die alte Kirche, die bis 1863 an dieser Stelle stand, heißt: „Sie war 1589 eine der Gründungskirchen der Reformierten Bergischen Synode.“1 Diese Aussage beruht darauf, dass an der ersten Bergischen Synode 1589 Wilhelmus Rongius teilgenommen hat, der 1588/89 kurze Zeit als Prediger2 in Haan tätig gewesen war.3 Im Synodenprotokoll wird er mit dem Zusatz „etwan Pastor in Hain“ genannt4, obwohl er zu dieser Zeit bereits Hofprediger des Grafen Wirich von Daun auf Schloss Broich (Mülheim/Ruhr)5 war. War Rongius neben Badius6 (Köln), dem Präses der ersten Synode, der zweite Externe in diesem Gremium, der keine bergische Gemeinde vertrat, sondern den Aufbau einer ständigen Bergischen Synode unterstützen sollte? Oder kann er als Vertreter einer (heimlichen) reformierten Haaner Gemeinde gelten?
Die Ursache für die Zurechnung Haans zu den Gründungsmitgliedern der Bergischen Synode könnte weit über 100 Jahre zurückliegen, denn in der Gedenkschrift zum 300. Jahrestag der ersten Bergischen Synode7 (1889) ist es bei der Aufzählung der in der ersten Synode vertretenen fünf (!) Gemeinden zu einem verwirrenden Fehler gekommen: Die durch seinen Prediger vertretene Gemeinde Neviges – in der die Gründungssynode stattfand! – wurde nicht genannt, aber Haan.8 Der Autor hat jedoch Rongius nicht als Vertreter von Haan bei der ersten Bergischen Synode gesehen, wie seine Ausführungen über diesen nahelegen, denn er behandelt insbesondere die Verbindung von Rongius zu Graf Wirich von Daun9 und kommt zu dem Schluss: „Es ist also klar, daß Wirich […] sein evangelisches Interesse an dem Zustandekommen der Synode durch Entsendung seines Schloßpredigers gezeigt hat.“
Henrici hat (1903) die Teilnehmer und die Gemeinden i.d.S. richtig genannt, Haan nicht als Gründungsmitglied aufgeführt und Rongius als „Hofprediger des Grafen von Daun-Bruch“ erwähnt.10
Ebenso klar ist auch Simons (1909) in seinen Ausführungen: „Vertreten sind also [bei der ersten Synode] die Gemeinden von Elberfeld, Sonnborn, Neviges, Schöller und Mettmann, sowie Graf Wirich von Daun auf Schloß Broich und die Gemeinde zu Köln bezw. die Jülicher Synode“.11
Lomberg (1928) zählt ebenfalls 5 Gemeinden, nennt Haan nicht als Mitglied der ersten Synode, obwohl er erwähnt, dass bei Rongius „das Protokoll ausdrücklich vermerkt, daß er ‚etwan (d.h. vor einiger Zeit) Pastor zu Haan‘ gewesen sei“, sondern fügt hier den Satz an: „Kurz danach schloß sich auch Haan der bergischen Synode an.“ Einige Sätze zuvor hat Lomberg dem Jahr 1589 aber besondere Bedeutung für Haan zugeschrieben, weil die Gemeinde in diesem Jahr öffentlich den Übertritt zum reformierten Bekenntnis erklärt habe.12
Auch Kochs (1934) nennt die an der ersten Bergischen Synode beteiligten Gemeinden ohne Haan.13
Kraffts Fehler von 1889 schien keine Folgen gehabt zu haben. Von Haan als Gründungsmitglied der Synode war nicht mehr die Rede. Mit einer Ausnahme. 1932 war „Die Geschichte der Evangelischen Gemeinde Haan“ des ehem. Haaner Pfarrers C. Glaser erschienen.14 Darin heißt es: „Vertreten waren also [bei der ersten Berg. Synode] die Gemeinden Elberfeld, Sonnborn, Neviges, Schöller, Mettmann […] und auch Haan […]. Der Zusatz bei Rongius ‚etwan‘ Pastor in Hain soll bedeuten ‚ehemals‘ Pastor in Haan. Rongius hat also kurz nach seiner durch Graminäus bewirkten ‚Abschaffung‘ an der Synode teilgenommen und darf somit als Vertreter der Gemeinde Haan angesehen werden, wenn er auch schon Prediger des Grafen Wirich von Dhaun auf Schloß Broich bei Mülheim (Ruhr) geworden war. Darum wird er in einer Protokollabschrift auch als „huffprediger“ zu Bruch an der Ruhr bezeichnet.15 Auch an den folgenden Synoden hat Rongius regelmäßig teilgenommen, nicht selten mit dem Amte des Präses oder des Skriba betraut.16“
Damit war Haan als Gründungsmitglied der Bergischen Synode wieder in der Welt. Verstärkt haben könnte Glaser den Eindruck, Haan habe von Anfang an der Synode angehört, durch einen Zahlendreher. Er nennt 1589 als das Jahr, in dem die Synode zum ersten Mal in Haan zusammentrat. Das war aber erst neun Jahre später der Fall: 1598. 1959 wurde dieser Zahlendreher von Wilhelm Hess noch einmal wiederholt. Ebenfalls nur wenige Zeilen nach der Aussage: […] daß im […] Jahr 1589 die Gemeinde Haan sich der Bergischen Synode anschloß, die am 21. Juli 1589 zum ersten Mal in Neviges zusammentrat.“17
Heiner Faulenbach hat 1980 die Dinge wieder „richtig“ gestellt: „In Verbindung mit den reformierten Predigern von Neviges, Sonnborn, Elberfeld, Schloß Broich und mit je einem Ältesten aus Mettmann und Sonnborn war Viti [der Prediger von Schöller] […] im Juli 1589 maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der ersten Bergischen Synode beteiligt. Es waren anfänglich lediglich fünf Gemeinden, die sich damals unter dem Jülicher Synodalpräses Johannes Badius im Pfarrhaus zu Neviges […] versammelten, um sich als selbständiger Synodalverband von der Muttersynode, den Jülichern, zu trennen.“18 Aber da war Glasers „Rongius … darf somit als Vertreter der Gemeinde Haan angesehen werden“ bereits seit fünf Jahren „in Stein gemeißelt“, in den oben zititerten Gedenkstein für die alte Haaner Kirche nämlich. Und seit 1987 Harro Vollmar geschrieben hat: „Am 21. Juli 1589 wurde die Kirchengemeinde Haan Mitglied der evangelisch-reformierten Bergischen Synode, als Gründungsmitglied unter einigen wenigen Kirchengemeinden (Elberfeld, Sonnborn, Neviges, Schöller, Mettmann, Haan).“19, ist diese Ansicht noch einige Male nachgedruckt worden. Nicht aber von Karlheinz Priemer20. Er verwendete 1989 zur Anzahl der vertretenen Gemeinden zwar eine „salomonische“ Formulierung: „Auf der 1. Bergischen Synode vom 21. Juli 1589 in Neviges waren […] fünf, wenn man Haan als ehemaligen Dienstort eines Teilnehmers dazu nimmt, sechs Gemeinden des bergischen Raumes vertreten“. Seine Aufzählung der vertretenen Gemeinden enthält aber Haan nicht: „Der Präses (und ‚Verweser‘) der Synode war aus Köln angereist. Unter seiner Leitung verhandelten die Prediger der reformierten Gemeinden von Neviges, Sonnborn, Schöller, Elberfeld und Mülheim sowie Älteste aus Mettmann und Sonnborn über die Gestaltung eines gemeinsamen Weges.“ Und über Rongius schreibt er: „An der 1. Bergischen Synode hat er jedenfalls als Abgesandter des Grafen zu Daun teilgenommen, auch wenn das Protokoll seinen ehemaligen Dienstort Haan als entsendende Gemeinde angibt.“
Wenige Jahre später hat Haan aber neue Unterstützung bekommen. Stefan Ehrenpreis schrieb: „Am 21. Juli 1589 trafen sich unter Leitung des Kölner Predigers Johannes Badius im Pastorat zu Neviges die Prediger der Gemeinden Neviges, Sonnborn, Schöller, Haan und Elberfeld und gründeten einen Zusammenschluß der bergischen reformierten Gemeinden, dem sich in den nächsten Jahren auch Düsseldorf, Ratingen, Mettmann u.a. anschlossen und der so zur bergischen reformierten Synode wurde.“21 In einem Aufsatz von Volkmar Wittmütz heißt es: „Die Pastoren seiner [des Gruitener Pastors] unmittelbaren Nachbargemeinden waren dagegen in Neviges [bei der ersten Berg. Synode] anwesend, die Pfarrer Johannes Viti aus Schöller, Wilhelm Rongius aus Haan und Caspar Luneslad (Lünenschloß) aus Sonnborn.“22 Und in seinem Vortrag zur Feier des 420. Jahrestages23 der ersten Bergischen Synode hat Wittmütz (nach der schriftlichen Fassung zitiert) gesagt: „Am 21. Juli 1589 versammelten sich neun Männer […] im Nevigeser Pfarrhaus zur ersten Synode reformierter Gemeinden im damaligen Herzogtum Berg. Vertreten waren die fünf Gemeinden Neviges, Sonnborn, Elberfeld, Schöller und Haan […].“ Einige Sätze später hören wir: „Neben den bereits genannten niederbergischen Gemeinden gab es damals schon weitere reformierte Gemeinden in unserem Raum, etwa in Düsseldorf, auch in Mettmann und Solingen. Doch diese […] waren 1589 in Neviges nicht vertreten.“ Besonders bei Wittmütz fällt auf, dass das Ergebnis „fünf vertretene Gemeinden“ deshalb zustande kommt, weil Haan dazugezählt, Mettmann jedoch, obwohl durch einen Ältesten beteiligt, als nicht vertreten angesehen wird.
Ziehen wir die Protokolle der Bergischen Synode zu Rate, stellen wir fest, dass Rongius in den etwa drei Jahren seiner Zugehörigkeit nur ein einziges Mal mit einer Verbindung zu Haan erwähnt wird, nämlich im Protokoll der ersten Synode durch den Zusatz „etwan Pastor in Hain“. Seine Verbindung nach Mülheim wird aber gut sieben Monate nach der Gründungsversammlung sichtbar. Im Protokoll der Synode vom 5.3.1590 heißt es: „Erstlich aber ist in diesem synodo beschlossen, daß Wilhelmus Rongius den pastorn zu Mülheim soll ersuchen, vermahnen, ob er nit dahin in der güte zu bereden, daß er sich dem synodo beipflichten wolle, damit nit allein zu Müllheim in der kirchen, sondern auch gedachter Wilhelmus desto besser auf des graven haus die christliche disciplin anfangen.“24
Von der Gemeinde Haan ist in den Protokollen zunächst überhaupt nichts zu lesen.25 Erstmals stoßen wir über zwei Jahre nach der ersten Synode auf Haan. Im Protokoll der 11. Synode (2.12.1591) heißt es: „…was den pastor zu Haen [Johannes Eilbracht] und den capellaen zu Waldt belangt, ist verabscheidt, daß dieselbe uff den negsten synodum sollen berufen werden, doch mit der condition daß dieselbige zuvorn durch etliche kirchendiener sollen besucht und ermahnet werden.“ (S. 692) Das Protokoll der folgenden Synode (6.4.1592) beschreibt den noch unsicheren Bekenntniszustand in Haan: „Dieweil mangel befunden in den beiden pfarkirchen Waldt und Haen wegen der mitgehülfen, die nog nit gnugsamb der religion sich sollten ercleret haben, daher dan in den kirchen ein schisma entstehen möchte, als ist verabscheidet von den sämbtlichen brüdern, daß sie sollen besucht werden durch Joannem Viti, die pastorn zu Sonborn und Haen, auf daß sie von denselben zur eindracht und zum bessern verstand der sacramenten bericht nehmen mögen.“ (S. 694) Der Hinweis, dass auch der „pastor zu Haen“ mithelfen soll, die „mitgehülfen“ auf den rechten Weg zu bringen, lässt schon vermuten, dass jetzt ein Vertreter aus Haan an der Synode teilgenommen haben muss. Die Schlusspassage des Protokoll bestätigt das: „Joannes Eilbrachti hat sich itzund mit als ein glied zum synodo begeben und sich zu der reformirten kirchen lehr und öffentlicher bekäntnus ausdrücklich bekennet und dasselb hier mit seiner eigenen hand unterschrieben. […] Id ipsum ego Joannes Eilbrachti hac mea subscripta manu attestor.“ (S. 696) Bei der folgenden Synode (8.6.1592) hält Eilbracht die Predigt. Im Protokoll der 17. Synode (5.7.1593) wird er als abwesend aufgeführt. An der 19. Synode nimmt er wieder teil.
Inzwischen wird aber Haan erneut in den Synoden-Protokollen erwähnt. In der 15. Synode 6.11.1592) gibt es einen Hinweis darauf, dass Haan jetzt ein Presbyterium hat, dort findet sich: „[…] was den eltisten zu Hain, Johann zum Güttgen, belangen thut, welcher eine zeit lang in seinem ambt wegen der lehr des catechismi seumig gewesen, auch sonsten liechtfertigen leuten nachgelaufen, als soll derselb durch den postoren zu Sonborn, Johannen Honnen zu Greffraht und Adolphen zur Müllen mit ernst angesprochen und seines amts erinnert werden.“ Aber das Presbyterium scheint nicht durchgehend Bestand gehabt zu haben, denn im Protokoll der 29. Synode (5.9.1600) steht: „Auf die frag deren von Hain, ob nit ein diener gottlichen worts schüldig sei, in seiner kirchen eltisten und diaconen zu haben und also ferner ein presbyterium anzustellen, responsum, nach laut des 5. art. des ersten Bergischen synodi, daß es billig sei; und weil dennoch daselbst in der kirchen zu Hain kein anfang ist, soll einer daselbst gemacht werden, darzu dem diener behülflich sein soll Thomas Kolhagen.“ (S. 745)
Im Zusammenhang mit der Frage, wann Haan evangelisch geworden sei, wird im Schrifttum vielfach aus Teschenmachers „Annales“ zitiert: „Zu Haan ist 1566 der erste evangelische Prediger Johann Heidelberg […] und Wilhelmus a Buir Kapellan gewesen.“26 Der erwähnte Kaplan, auch Burensis genannt, müsste danach schon Jahrzehnte vor der ersten Bergischen Synode und nicht nur während der kurzen Zeit, die Rongius in Haan war27, in einem evangelischen Umfeld tätig gewesen sein, so dass man hätte erwarten können, ihn nach Rongius‘ Absetzung als Stütze für die (heimlichen) Haaner Reformierten zu finden, denn er war bis ins 17. Jahrhundert hinein in Haan tätig, zuletzt als Inhaber der Pfarrstelle. Die Protokolle der Bergischen Synode erwähnen ihn aber erst knapp vier Jahre nach der Gründungssynode und zeichnen ein völlig anderes Bild. Zur 16. Synode (26.4.1593) ist festgehalten worden: „…was den cappelan zu Hain [Wilhelm Burensis] anlangt, ob derselb zum glied des synodi soll auf- und angenohmen werden, berestet solches bis auf den negsten synodum.“ (S.700) Die übernächste Synode (9.11.1593) beschließt dann, dass Burensis zur folgenden Synode eingeladen werden soll. An dieser (der 19. am 7.6.1594) nimmt Wilhelmus Burensis teil und unterschreibt nachträglich das Protokoll der 8. Synode vom 1.4.1591: „Ego Guilhelmus Burensis testor me interfuisse synodo Elverfeldensi et nihil vel vidisse vel audivisse, quod divino verbo contrairium aut mihi displicere potuit. Anno 94, 7. junii.“ (S. 688) Im Protokoll der 20. Synode (21.11.1594), an der Burensis teilgenommen hat, steht: „Imgleichen dieweil die benachbarte kirchen Waldt und Hain die lehr und übung des catechismi etzlichermaßen underlassen, als sollen die diener daselbst mit fleiß darahn sein, daß solches werk widerumb restaurirt und mit ernst getrieben werde, auch persönlich solcher übung selber beiwohnen.“ (S. 707 f.) Bei der folgenden Synode (5.6.1595) hält Burensis die Predigt. Im Protokoll steht aber auch: „Den dienern zu Waldt und Hain ist eingebunden, daß sie sich mit einander brüderlich vereinigen sollen und einen anfang der kirchenzucht und disciplin anfangen.“28 (S. 710 f.) Burensis wird in den Protokollen der folgenden Synoden bis zur 30. (1601) jeweils als anwesend oder als abwesend erwähnt oder Haan wird zumindest in einer Weise genannt, die erkennen lässt, dass Haan zur Synode gerechnet wird (z.B. bei der 24. Synode am 5.11.1596: „Auf die frag und vorgeben deren von Hain, ob auch einem kirchendiener erlaubet, zu oftmalen im wirtshaus beim zech und ludder zu lieggen, darauf ist antwort: nein, es were dan, daß …“) (S. 723), aber seine häufigen Nichtteilnahmen sind der Synode offenbar suspekt: „Dieweil Guilhelmus Burensis nun zweimal dem synodo schuldigen gehorsamb durch sein abwesen versagt, als ist bedacht, daß gemelter Wilhelm noch einmal durch zwo benentlich personen […] soll ernstlich abgefraget werden.“ (S. 724, 24. Synode) Bei der 25. Synode ist er aber trotzdem nicht anwesend, gilt auch nicht als entschuldigt, soll aber „nochmals wegen seines vielfeltigen ausbleibens […] ersucht werden“. (S. 731) Diesmal mit Erfolg, denn bei der nächsten Synode ist er wieder anwesend, bei der übernächsten – der ersten, die in Haan tagt – hält er die Predigt, dann aber fehlt er wieder (28. Syn., 4.10.1599) und im Protokoll gibt es eine sehr lange Passage über ihn, die eine Ausschlussandrohung enthält: „Dieweil groß unrichtigkeit ist vorkommen wegen des dieners zu Hain, Wilhelmi Burensis, die disciplin belagend, […] [folgt Aufzählung seiner Verfehlungen] als ist beschlossen, daß er noch einmal in ernst und scharf soll vermahnt werden […]. Wofern aber Wilhelmus dieser vermahnung nit wirt statt geben, ist […] beschlossen worden, daß man ihn soll ausschließen und nit mehr für einen bruder dieses synodi halten, […].“ (S. 738) Dazu ist es aber nicht gekommen; an der nächsten Synode (29., 5.9.1600) nimmt er wieder teil. (S.741) Hier kommt zur Sprache, dass die Haaner Gemeinde kein Presbyterium hat (Zitat s.o.). (S. 745) Da Burensis bei der folgenden Synode – die wieder in Haan stattfand! – erneut fehlt, wird die Ausschlussdrohung von 1599 im Protokoll wiederholt. Trotzdem fehlt er offenbar bei der 31. Synode (weder bei den Anwesenden noch bei den Abwesenden erwähnt) und steht dann im Protokoll der 32. Synode (15.7.1602) bei den Abwesenden ohne den bei den übrigen Abwesenden vorhandenen Zusatz „excusatus“. Die Geduld der Synode ist aber – wahrscheinlich wegen seines hohen Alters – groß; es wird erneut eine ernste Ermahnung beschlossen und hinzugefügt: „Auch erklären sich die brüder, daß sie auf sein begehren dran sein wollen, daß er [Burensis] mit einem treuen collega möge versehen werden.“ (S. 755)
Diese Informationen legen den Schluss nahe, dass Haan anfangs nicht zu den Mitgliedern der Bergischen Synode zählte und sich die Gemeinde bis ins 17. Jh. noch in einem Zustand zwischen „nicht mehr richtig katholisch“ und (wahrscheinlich unter dem Druck der Verhältnisse) „noch nicht eindeutig reformiert“ befand. Ein deutliches Zeichen dafür ist auch, dass sogar eine Synode, die in Haan tagte (30., 19.2.1601), ohne Haaner Beteiligung stattfand.
Es ist nicht erkennbar, dass Rongius von der Synode als „Repräsentant“ einer (heimlichen) reformierten Gemeinde Haan angesehen wurde. Der Zusatz „etwan Pastor in Hain“ im Protokoll der ersten Bergischen Synode scheint entweder eine Verlegenheitslösung gewesen zu sein, wie Krafft vermutet29 (die oben zitierte Passage aus dem Synodenprotokoll vom 5.3.1590 liest sich wie eine Bestätigung dafür), oder eine bewusste Kennzeichnung des Rongius als besondere Stütze für die junge Bergische Synode, weil er sich gegenüber Graminäus ohne zu lavieren klar als Reformierter bekannt hatte. Als abgesetzer und inhaftierter Haaner Pastor war er im Bergischen bekannt, sodass die Bezugnahme auf Haan vermutlich eine größere Wirkung auf noch Unentschlossene, um deren Beitritt zur Synode geworben wurde, hatte, als z.B. die im Protokoll der Synode vom 6.6.1591 enthaltene Bezeichnung „Rongius a Schuller“ (obwohl seine Herkunft aus Schöller auch auf evangelische Wurzeln hinweist). Beide Möglichkeiten entheben uns der mangels Quellen schwierigen Beantwortung der Frage, warum Graf Wirich seinen Hofprediger rund drei Jahre lang als „Repräsentanten“ einer „fernen“ Gemeinde in die Synode entsandt haben sollte, wenngleich er doch in seinem eigenen Umfeld noch Probleme hatte, die Reformation durchzusetzen, wie das Synodenprotokoll vom 5.3.1590 dokumentiert.
Lothar Weller, 2005/2017
[Hinweis: Der Aufsatz wurde zusammen mit einer Gegendarstellung von Prof. Volkmar Wittmütz abgedruckt im Jahrbuch für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlands Nr. 66 / 2017, S. 185-202; siehe: https://vrkg.de/images/pdf/jahrbuch/JEKGR66-2017.pdf]
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