Die Abbildung oben zeigt den Ausschnitt einer Ansichtskarte, die spätestens 1899 im Umlauf war. Das Baujahr des Hauses ist bisher nicht bekannt, aber 1879 muss es schon bestanden haben, wie die unten abgebildete Anzeige zeigt, auch wenn darin die Bezeichnung Gasthof zur Post nicht enthalten ist. Die Ortsangabe im Locale des Friedrich Forsthoff zu Station Haan lässt kaum einen anderen Schluss zu. Ob zu dieser Zeit auch schon der westlich stehende Saal, dessen Süd- und Nordseite auf der Ansichtskarte gut zu erkennen sind, vorhanden war, ist nicht sicher, denn in Karten von 1894, die die Gruitener Bahnhofsanlagen zeigen, ist er nicht eingezeichnet.

Der Gasthof zur Post, die Häuser auf der anderen Seite der Bahnstraße Ecke Brückenstraße sowie ein weiterer Gasthof auf der Südseite der Bahnlinie an der Ecke Bergstraße/Kurze Straße (heute Rotdornweg) gehören zu den frühen Bauten in Bahnhofsnähe, während die meisten Häuser entlang der Bahn- und die frühen mehrgeschossigen an der Breite Straße erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Der Grund für den Bau der Gasthöfe sind also nicht die in der Nähe des Bahnhofs lebenden (Neu-)Gruitener gewesen, sondern der Verkehr vom und zum Bahnhof. Eine Zählung am ebenerdigen Bahnübergang Bahn-/Bergstraße im Jahre 1896 ergab pro Tag im Durchschnitt über 600 Personen und fast 70 Fuhrwerke, die die Bahnlinie überquerten![1] Für diesen Durchgangs- und Lieferverkehr lohnte es sich offenbar, neben der Bahnhofgaststätte[2] nicht nur einen, sondern sogar zwei Gasthöfe zu betreiben. Der zweite verlor aber schon bald seine Geschäftsgrundlage, denn als der Bahnübergang 1905 geschlossen wurde, weil die Brücke zwischen Brücken- und Hochstraße erbaut war, floss der Durchgangsverkehr vom und zum Bahnhof nicht mehr über die Bergstraße an ihm vorbei; er war vom Bahnhof abgeschnitten.[3] Die bessere Lage hatte der Gasthof zur Post. Die Schließung des Bahnübergangs war für ihn kein Nachteil, denn auch weiterhin führte der gesamte Verkehr von und zum Bahnhof an ihm vorbei. Und auch seinen Namen hatte er gut gewählt, denn als die Gruitener „Post-Anstalt“ Anfang des 20. Jahrhundertes aus dem Bahnhof gegenüber in das neu erbaute „Kaiserliche Postamt“ an der Bahnstraße umzog, blieb die Post Nachbar des Gasthofs zur Post und war nur von der Süd- auf die Nordseite des Gasthofs verlegt worden. Inzwischen hatte der Bauboom am Bahnhof dazu geführt, dass die Bahnstraße fast vollständig bebaut und mit dem Ratskeller eine weitere Gaststätte „auf Station“ hinzugekommen war. Aber Zur Post hatte den großen Saal; hier fanden die großen Feste statt, hier wurde auch Kaisers Geburtstag gefeiert.


Als dann 1930 die Trolleybuslinie von Mettmann zum „Reichsbahnhof Gruiten“ eröffnet wurde, lag der Gasthof zur Post am O-Bus-Wendepunkt und damit endgültig im Verkehrszentrum von Gruiten.

Der Saal und der Trolleybuswendepunkt sind schon lange Geschichte, aber die Gaststätte hat noch bis ins neue Jahrtausend bestanden.

Lothar Weller, 3.10.2018 (erweitert 6+8.10.2018, 13.7.2020, 28.11.2021)
LINK zum Beitrag über den Saal des Gasthofs zur Post.
Nachtrag 17.10.2018: Andreas Bleidt, der viele Jahre im Haus Gasthof zur Post gewohnt hat, erinnert sich, dass im Keller ein relativ großer (zu seiner Zeit aber nicht mehr benutzter) Wasserspeicher stand, der über eine Falleinrichtung mit dem Dachgeschoss verbunden war. Unten hatte der Speicher einen großen, bereits verrosteten Ablaufhahn und in Höhe der Kellerdecke einen Überlauf, von dem ein Rohr schräg in den Abwasserkanal führte. Diese Informationen deuten darauf hin, dass auch der Gasthof zur Post keinen Brunnen, sondern nur einen Regenwasserspeicher hatte, der wahrscheinlich mindestens bis zum Anschluss an die Trinkwasserleitung 1898 der Wasserversorgung des Hauses diente. (Siehe dazu den Beitrag: Trinkwasser für Gruiten-„Station“).
[1] Siehe dazu den Beitrag: Alte Brücke, neue Brücke über die Bahn.
[2] Die Bahnhofsgaststätte ist 1896 nachgewiesen.
[3] Der Betreiber der Gastwirtschaft auf der Südseite des ebenerdigen Bahnübergangs, Carl Birschel, verlegte sein Lokal von dort (Bergstraße) an die Brücke: „Schankwirtschaft zum Adler“, später und auch heute noch „Keglerheim“, Hochstraße.
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