Als 1841 die Eisenbahnlinie von Düsseldorf bis Elberfeld fertiggestellt war, gab es in Gruiten noch keine Brücke über die Bahnstrecke. Gruiten bestand um diese Zeit rund um die damalige „Station Haan“ am Hof „Quallerheide“ lediglich aus vier Höfen, deren Namen alle auf „…heide“ endeten. Sonst gab es hier nur Felder. Wozu also eine Brücke?!
Über 60 Jahre blieb es bei ebenerdigen Übergängen – auch als die Bahn- und die Bergstraße schon bebaut waren und der Verkehr über die Bahngleise deutlich zugenommen hatte. Der Übergang am Bahnhof war durch Schranken gesichert.

1896 wurde an fünf Tagen im Dezember von morgens 5.30 Uhr an jeweils 12 bis 14 Stunden lang gezählt, wie viele Personen und Fuhrwerke den Übergang passierten und wie viele durch geschlossene Schranken aufgehalten wurden. Das Ergebnis: 3.100 Personen und 340 Fuhrwerke überquerten in den knapp 64 Stunden der Zählung die Gleise. 50 % der Personen und 60 % der Fuhrwerke mussten vor den Schranken warten, denn diese waren in der beobachteten Zeit gut 300-mal geschlossen, wodurch der Übergang insgesamt 17 Stunden, also gut ein Viertel der gesamten Zeit gesperrt war! Bei diesem Verkehrsaufkommen auf der Straße und einem zu dieser Zeit offenbar bereits dichtem Zug- und Rangierverkehr, war der ebenerdige Bahnübergang zu einem Hindernis geworden. Trotzdem dauerte es noch einige Jahre, bis die erste Brücke über die Bahn gebaut wurde. 1906 war sie fertig und wurde freigegeben (Abb. unten).

Von da an lief der Verkehr über die Bahn nicht mehr zwischen Berg- und Bahnstraße, sondern zwischen Hoch- und Brückenstraße, die ihre Namen 1906 erhalten haben (Abb. unten). Das Titelfoto zeigt diese Brücke vom Bahnhof aus gesehen.

Schon knapp 40 Jahre später, am 16. April 1945, schienen die Tage dieser Brücke gezählt zu sein, denn ihre Sprengung war wegen der anrückenden amerikanischen Truppen vorbereitet, wurde aber glücklicherweise in letzter Minute verhindert.

Gut 50 Jahre blieb sie weiter bestehen, dann rückten riesige Bagger an, um sie abzutragen (Fotos unten, 1997).


Eine Behelfsbrücke (Fotos unten, 1997) verhinderte eine monatelange Trennung der Gruitener Ortsteile diesseits und jenseits der Bahnlinie. Ohne sie hätte es als Verbindung allein den Bahnhofstunnel für Fußgänger gegeben; Kraftfahrzeuge hätten nur in kilometerweiter Entfernung die Möglichkeit gehabt, die Gleise zu über- oder zu unterqueren. Von der Millrather Straße zur Bahnstraße wäre es z.B. über Polnische Mütze Richtung Vohwinkel, durch den Tunnel beim Gut Zur Linden, von dort über Vohwinkeler- und Parkstraße zur Bahnstraße gegangen.[*]



Neun Monate bestand das Provisorium. In dieser Zeit wurde die alte Brücke abgerissen und die neue gebaut (Fotos unten: Brückenneubau). Am 31.10.1997 fuhren die ersten Fahrzeuge über die neue Brücke, danach wurde die Behelfsbrücke wieder abgebaut. Die Belastbarkeit der alten Brücke war zuletzt von 24 t auf 12 t herabgesetzt worden. Über die neue Brücke durften dann schwere LKW bis zu 60 t fahren.


Lothar Weller, 29.9.2018 (erweitert: 30.11.2019, 14.12.2021) Fotos: Gruitener Archive (10)
[*] Siehe dazu den Beitrag: 1997: Riss durch Gruiten verhindert.
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