Die gezeichnete Ansichtskarte oben stammt aus der Zeit um 1900, wie sich durch den Vergleich mit der unten abgebildeten Foto-Ansichtskarte ergibt. Schon damals gab es also nicht nur die Gaststätte, sondern auch einen großen Saal, der auf der gezeichneten Ansichtskarte links an der Düsselseite als Anbau gut zu erkennen ist. In einem Untersuchungsbericht von 1978 über die Häuser in Gruiten-Dorf ist zum Haupthaus der Gaststätte Wiedenhof zu lesen: Das Gebäude steht etwa an der Stelle des Pielsticker, der ein zum Wiedenhof [kath. Pfarrhaus, nicht die Gaststätte dieses Namens!] gehörender Kotten evtl. mit einem kleinen Handwerksbetrieb (Nagelschmiede) war […]. Das Gebäude wurde nach 1870 erbaut. […][1]

Für den Bau des Hauses kurz nach 1870 spricht der Beschluss des kath. Kirchenvorstands vom 4.12.1870: […] Kirchenvorstand beschließt, dem Carl Sauer von der Pastoratswiese grenzend an die Düssel einen Platz von c. 40 [Quadrat-]Ruthen zum Bau eines Hauses […] zu verkaufen. Angaben aus deutlich späterer Zeit im Archiv St. Nikolaus Gruiten nennen 1869-70 bzw. 1865-68 (1951) als Zeitraum der Erbauung des Hauses. Dies ist aber nach dem Inhalt des zitierten Kirchenvorstandsbeschlusses nicht wahrscheinlich (zu früh). Es ist sogar möglich, dass das Haus von Carl Sauer erst einige Jahre nach dem Erwerb des Grundstücks gebaut worden ist, denn ein Plan zum Bau der neuen kath. Kirche (1877-79) mit dem Genehmigungsvermerk von 1877 (Abb. unten) zeigt an der Stelle des Hauses am Zusammenfluss von Düssel und Kleiner Düssel noch unbebautes Gelände.

Andererseits ist in einer Zeichnung, die der Baumeister der neuen kath. Kirche wahrscheinlich erstellt hat, bevor 1877 mit dem Bau dieser Kirche begonnen wurde[2], die Gaststätte „Wiedenhof“ bereits enthalten, wie dieser Ausschnitt zeigt (Bildmitte):

Auch der Saal ist auf dieser Zeichnung schon vorhanden, sodass Haus und Saal etwa zeitgleich erbaut worden sein können. Eine amtliche Bestätigung für das Vorhandensein von Haus und Saal gibt es erst durch Kataster-Unterlagen von 1879/80.[3] Nach der darin enthaltenen Zeichnung stand der Saal aber etwas anders als der heutige „Bürgersaal“ und dessen Vorgänger „Pfarrsaal“, nämlich so, wie es auch spätere Lagepläne von 1927 und 1934 noch belegen:



Die Inhaber des Wiedenhofs von seinen Anfängen im 19. Jahrhundert bis 2015:
Obwohl der Betrieb seit Ende 2015 ruht, ist die lange Geschichte der Gaststätte nicht beendet. Renovierung und Umbau für eine Neueröffnung laufen. (Links dazu: RP, 27.6.2017 * RP, 29.8.2017 * RP, 15.2.2018)


Lothar Weller / Januar 2018, erweitert/korrigiert Februar 2018, 8.1.2020, 12.9.2020.
Nachtrag: Offizielle Wiedereröffnung der Gaststätte: 27.4.2018 („Palazzo im Wiedenhof“).
(Repros: Lagepläne aus dem Archiv St. Nikolaus Gruiten (2), Anzeigen aus Festschriften bzw. Zeitungen, alte Ansichtskarten (2), Ausschnitte aus alten Fotos und einer Zeichnung von G.A. Fischer, Homepage „Wiedenhof“ 2015; Farbfotos (2): von mir.)
[1] Stadt Haan, Ortsbau- und siedlungsgeschichtliche Untersuchung Gruiten-Dorf von Dehnert/Tietze, Haan/Düsseldorf 1978, S. 33. Die Angaben gehen weitgehend auf Fritz Breidbachs Buch Gruiten – Die Geschichte eines Dorfes an der Düssel, Gruiten 1970 zurück. Dort heißt es auf S. 38: 1670 legte er [Pastor Frechen] „am Pielsticker“ einen Baumhof an. Der Pielsticker war ein zum Wiedenhof gehörender Kotten, der im Mündungsdreieck der kleinen und großen Düssel lag. Fritz Breidbach gibt dort aber keinen Hinweis auf das Alter des Gebäudes der Gaststätte.
[2] Signierte, aber nicht datierte Handzeichnung des Architekten G.A. Fischer, auf der die neue kath. Kirche mit Details abgebildet ist, die nicht realisiert worden sind. Deshalb gilt diese Zeichnung als ein Werk Fischers, mit dem er dem Kirchenvorstand um 1877 eine Vorstellung vom Aussehen der geplanten neuen Kirche im Verhältnis zur alten Kirche verschaffen wollte.
[3] Regierungs-Bezirk Düsseldorf, Kreis Mettmann, Bürgermeisterei Haan, Gemeinde Gruiten, Ergänzungskarte für 1880/81, Archiv-Nr. 273: „Auszug aus den Original-Flurkarten. Angefertigt im Kataster-Bureau, Düsseldorf den 18ten Juli 1879“, „Die Form-Veränderungen aufgemessen und eingetragen. Elberfeld den 28ten August 1879“, „In den Gemeinde-Atlas übernommen. Solingen, den 24. Januar 1880“.
27. Januar 2018 at 19:32
Tolle Anzeigen in der Anfangszeit!
2. Februar 2018 at 0:59
Mitte der 50er Jahre habe ich meinen ersten Kinofilm im alten Wiedenhofsaal gesehen “ Quax der Bruchpilot“