Die Sonne brennt vom Himmel am 3. August 1973. Halb Gruiten ist auf den Beinen, um die Grundsteinlegung des Bürgerhauses mitzufeiern. „Nicht nur auswärtige Gäste, selbst Vertreter des Rates und der Verwaltung waren überrascht darüber, daß sich zum Beginn des Festaktes ein langer Zug Gruitener Bürger über die Schotterstraße zur Baustelle bewegte“, schreibt die Presse. Aber am Horizont lauern schon die Schatten der Kommunalreform. Denn vielen ist klar, dass das Bürgerhaus keinesfalls bis zum Ende der Selbständigkeit Gruitens fertiggestellt sein wird. Was würde danach aus dem begonnenen Werk werden?
Da tat es den Gruitenern besonders gut, dass Landrat Willi Müser diesen Punkt in seinem Grußwort nicht aussparte: „Ich wünsche, daß der Bau zu einem lebendigen Mittelpunkt dieser kleinen, aber feinen Gemeinde wird, auch nach der kommunalen Neugliederung!“ Bürgermeister August Thewes hatte in seiner Begrüßungsrede schon darauf hingewiesen, dass man versucht sein könne, den Rat angesichts der Entscheidung, ein Bürgerhaus mit Hallenbad zu bauen, für wagemutig zu halten. Die Bausumme von etwa 4 Millionen Mark war wahrlich kein Pappenstiel. Deshalb sollte zunächst in einem ersten Bauabschnitt nur der dringendste Raumbedarf für Vereine, Gruppen und die Jugend gedeckt sowie das Hallenbad gebaut werden. Immerhin gab es am Tage der Grundsteinlegung die Ankündigung, dass in Kürze der Bewilligungsbescheid des Regierungspräsidenten über 80.000 Mark Zuschuss eingehen werde. Der Oberkreisdirektor ließ sie übermitteln und schrieb in seinem Gruß: „Wir freuen uns, daß der Bau des zwölften Hallenbades im Kreis vorangeht“. Auch Pfarrer Ospel stützte den Mut der Gemeinde: „Wer nur begann, der hat schon halb vollendet“, zitierte er Horaz (natürlich auch lateinisch: Dimidium facti, qui coepit, habet) und ergänzte: „Dieser Tag soll eine Zeit einleiten, in der hier junge und alte Bürger einen wichtigen Punkt des kulturellen Gemeinschaftslebens haben“. Die Urkunde über die Grundsteinlegung, die zusammen mit anderen Zeitzeugnissen und einer Flasche „Bergischer Korn“ aus heimischer Produktion eingemauert wurde, hat folgenden Wortlaut: „In der heute 5.500 Einwohner zählenden Gemeinde fehlt es seit Jahren an geeigneten Räumlichkeiten für größere Veranstaltungen. Die in Gruiten wirkenden Vereine und die hier tätigen Parteien haben den Anstoß dazu gegeben, daß sich im Jahre 1970 der Gemeinderat zum Bau eines Bürgerhauses entschlossen hat. Ein Jahr später sind die aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Entwürfe und Modelle der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Ende 1972 ist der Auftrag für den 1. Bauabschnitt vergeben und im März des folgenden Jahres mit den Bauarbeiten begonnen worden. Für den 1. Bauabschnitt, der einen Saal für 550 Personen und eine Schwimmhalle mit einem Schwimmbecken von 8 x 25 m Größe umfaßt, wird heute hier der Grundstein gelegt. Die Gemeinde Gruiten hofft, der 2. Bauabschnitt, der das jetzige Raumprogramm abrundet, möge ‚bald‘ folgen. Gruiten, am 3. August 1973“.
Als am 17. Dezember des Jahres der Richtkranz auf den Rohbau des Bürgerhauses gesetzt wird, ist der Teilnehmerkreis durchaus überschaubar. Bei eisigem Wind sind die „dienstlich Verpflichteten“ aus Rat, Verwaltung und beteiligten Baufirmen fast unter sich und holen sich trotz kurzgefasster Zeremonie mindestens kalte Füße, wenn nicht gar Eisbeine. Zum Glück ging es anschließend sofort zum Richtschmaus ins Warme. Und dort wird das typische Richtfestessen, nämlich Eisbein mit Sauerkraut serviert – passender ging es nicht! Das frostige Wetter hatte aber keine Auswirkung auf die sonnenhelle Stimmung der offiziellen Äußerungen. Sie klangen (aus heutiger Sicht) sehr optimistisch. Der Polier wünschte, dass das Haus so manche Generation überdauern möge. Und Bürgermeister Thewes schlug in dieselbe Kerbe: „Ich hoffe, daß das Bürgerhaus Gruiten lange hält und die Bürger in ihm viel Freude haben werden“, wird er in der Presse zitiert. Damit sprach er den Gruitenern natürlich aus dem Herzen.
Aus einer Einrichtung für Generationen ist – wie heute jeder weiß – leider nichts geworden. Zwar wurden das Foyer und die Schwimmhalle schon 1974 eröffnet, das Schwimmbad aber bereits im Jahre 2000 wieder geschlossen – auch wenn das Hinweisschild „Hallenbad“ noch 10 Jahre später an der Einfahrt zur Düsselberger Straße gestanden hat. Komplett fertiggestellt wurde das Bürgerhaus 1979, komplett geschlossen Anfang 2012.
Lothar Weller / 2013 (Text und Foto)
[Link: Haaner Treff, 6.11.2013]
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