Gruiten ist älter als früher gedacht. Seit 2013, als bei der Sanierung des alten Nikolausturms Skelette gefunden wurden, kann man von mehr als 1000 Jahren ausgehen, denn die Altersbestimmung der ältesten gefundenen Gebeine fällt in die Zeit von 720 bis 993 n.Chr.

Die erste urkundliche Erwähnung Gruitens stammt aus dem 11. Jahrhundert. Der älteste steinerne Zeitzeuge ist der Turm der romanischen St. Nikolaus-Kirche. Er ist das älteste erhaltene Gebäude auf Haaner Stadtgebiet. Erbaut wurde die alte Kirche im 12. Jahrhundert, seit 1895 steht nur noch der Turm.

Die Ausgrabungen 2013 haben Hinweise dafür geliefert, dass die romanische Kirche eine Vorgängerin ohne Turm gehabt hat, die wahrscheinlich im Zentrum der heute noch vorhandenen Kirchhofsmauer stand. Die Kirchhofsmauer ist deshalb wohl das älteste Bauwerk auf Haaner Stadtgebiet.

Mitte des 15. Jahrhunderts ist das historische Gruiten so gut wie komplett: Fast alle Höfe entlang der Düssel und der Kleinen Düssel, die heute noch bestehen oder bis ins 20. Jahrhundert bestanden haben, sind zu dieser Zeit bereits urkundlich belegt. Noch nicht komplett ist zu dieser Zeit aber das historische Dorf, denn dort, wo heute das Herz von Gruiten-Dorf liegt, war damals noch Sumpfgebiet, in dem nur die Bauernburg „Quall“ stand. Es fehlten vor allem die reformierte Kirche (1720-21 erbaut) mit den beiden Seitengebäuden „Predigthaus“ (1682) und „Pfarrhaus“ (1764), aber auch alle Gebäude an der Pastor-Vömel-Straße von dort bis hinunter zur neuen Nikolauskirche – und natürlich die neue Nikolauskirche selbst (erst 1877-79 erbaut).

Ende des 16. Jahrhunderts zieht die Reformation in Gruiten ein; 1675 ist die reformierte Gemeinde endgültig gefestigt und die katholische Gemeinde völlig dezimiert. Die katholische Pfarrei überlebt jedoch durch das geschickte Taktieren des Gräfrather Damenstifts, die Unterstützung der Herrschaft Schöller und die des Schultheißen von Haan und Hilden.

Innerhalb von weniger als 100 Jahren um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert entstehen fast alle Fachwerkhäuser, die heute das Herz von Gruiten-Dorf bilden – und der zweite Steinbau nach der Errichtung der Bauernburg „Quall“ im ehemaligen Sumpfgebiet: die reformierte Kirche.

1806 – während des napoleonischen Intermezzos im Bergischen – wird Gruiten Teil der Mairie Haan und bleibt bis 1894 Teil der sich anschließenden preußischen Bürgermeisterei Haan. Danach wird die Bürgermeisterei Gruiten gegründet (mit Schöller, Millrath, Obgruiten), später bis 1974 Amt Gruiten (mit Schöller, Hochdahl, Obgruiten). Seit 1975 ist Gruiten Teil der Stadt Haan.

1841 war die Eisenbahnlinie Düsseldorf – Elberfeld fertiggestellt. Auf Gruitener Gebiet zwischen Gruiten-Dorf und Haan wird „auf der grünen Wiese“ eine Bahnstation mit der Bezeichnung „Haan“ errichtet. Um die Station herum entsteht allmählich ein neuer Gruitener Ortsteil, der ab Ende des 19. Jahrhunderts einen wahren Bauboom erlebt, wie man heute noch besonders an den Gebäuden der Bahnstraße sehen kann. Hier entsteht 1897 auch das Rathaus der Bürgermeisterei – und die Bahnstation heißt nun nicht mehr „Haan“, sondern „Gruiten“.

Die Gruitener Tradition des Kalkbrennens reicht viele Jahrhunderte zurück, aber die Industriealisierung Gruitens beginnt erst im ausgehenden 19. Jahrhundert. Entlang der Düssel wird in immer größerem Maße Kalkstein abgebaut und in Werken an der Bahnlinie verarbeitet. Im Dorf entsteht eine große mechanische Weberei. Um 1920 steht in der Ehlenbeck das Kalkwerk Lindenbeck mit dem damals höchsten Schornstein Deutschlands. Auf der Fuhr (heute Gewerbegebiet um die Leichtmetallstraße) entsteht etwas später das Werk der RWK (Rheinisch-Westfälische Kalkwerke), das jahrzehntelang Gruitens Silhouette aus allen Himmelsrichtung prägt. 1966 geht der Kalksteinabbau und die Kalkverarbeitung in Gruiten abrupt zuende. Die große Weberei hatte schon einige Jahre zuvor ihre Pforten schließen müssen. Auf dem Gelände des ehemaligen Kalkwerks entsteht ein Gewerbegebiet, aus den Resten der Weberei im Dorf ein moderner Kindergarten.

Gruiten-Dorf wird 1989 Denkmalbereich III der Stadt Haan. 1990 wird die Dorfumgehungsstraße (K20n) fertiggestellt, 2009 auch der restliche Teil der Straße zur Umgehung des gesamten Ortes.

Lothar Weller / 2017-2023

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